Indirekte Steuerung

Viele Kolleginnen und Kollegen verstehen ihr Unternehmen nicht mehr. Sie fragen sich, ob das Unternehmen von der Führung „gegen die Wand gefahren“ wird. Fast gewinnen sie den Eindruck, in einem „Irrenhaus“ zu arbeiten wie ein Buchtitel nahelegt.[1] Obwohl das Unternehmen weiter funktioniert und womöglich gar floriert. Andere Beschäftigte verstehen wiederum ihr eigenes Verhalten nicht: Sie ertappen sich beispielsweise dabei, wie sie selbst ihre Team-Kolleginnen und Kollegen dazu auffordern, in ihrer Freizeit zu arbeiten, um ein Projekt zu realisieren und sich so gegenseitig womöglich in die Erschöpfung treiben. [2]

Siemens_Frenzel_Unternehmer_01Die Mechanismen indirekter Steuerung

Hinter diesem „erfolgreichen Chaos“ steckt eine bewusste Strategie der Unternehmensführungen. Dabei geht es darum, die Beschäftigten zum Einsatz für das Unternehmen mit Leib und Seele zu gewinnen. Dies lässt sich nicht erreichen, wenn man Anweisungen gibt, ihre Umsetzung kontrolliert und mit Sanktionen droht für den Fall, dass die Anweisungen missachtet worden sind. Stattdessen setzen Unternehmensleitungen heute auf „selbstbewusste Belegschaften“ und sich selbst steuernde Teams.

Sie unterteilen hierfür ihr Unternehmen in teilautonome Unternehmenseinheiten, Subunternehmen oder Profitcenter. Die in diesen Einheiten organisierten Kolleginnen und Kollegen müssen sich in „Umwelten“ – wie das in der Arbeits- und Organisationspsychologie heißt – behaupten. Diese „Umwelten“ bilden den Markt ab, in dem sich das Unternehmen bewegt, sie sind allerdings nicht der Markt selbst, denn die Unternehmen verändern die Marktbedingungen, um die Profitabilität der Unternehmenseinheiten zu erhöhen. Beispielsweise öffnet die Unternehmensleitung „Kanäle“, die es den Zulieferern oder Kunden ermöglichen, sich unmittelbar an die Beschäftigten zu wenden, um dort direkt im Sinne des Unternehmens Druck zu machen. Oder die „Umwelten“ werden so organisiert, dass Kolleginnen und Kollegen scheinbar zufällig Anforderungen an andere Teams formulieren. Teams werden zu anderen Teams in Konkurrenz gesetzt – was die Eigeninitiative der Teams fördern soll. Auf diese Weise erhalten die in Unternehmenseinheiten organisierten Beschäftigen gemeinsam mehr und mehr Unternehmerfunktionen.

Solche und ähnliche Mechanismen der Unternehmensführung wurden seit den 1950er Jahren entwickelt und getestet, seit den 1970er Jahren in manchen Branchen eingeführt und seit den 1990er Jahren werden sie flächendeckend in großen und mittleren Unternehmen angewendet. In den Sozialwissenschaften werden sie mit dem Begriff „indirekte Steuerung“ bezeichnet. Der Ausdruck „indirekt“ beinhaltet, dass die indirekte Steuerung der Beschäftigten nur so lange funktioniert, wie sie diesen nicht bewusst wird.

Es kommt daher für die Interessenvertreter zunächst darauf an, die Mechanismen der indirekten Steuerung sich selbst und den Kolleginnen und Kollegen bewusst zu machen. (Auszug aus: http://gegenblende.dgb.de/++co++6d0f32ee-a7b1-11e4-9527-52540066f352 Stephan Siemens, Martina Frenzel: Indirekte Steuerung von Gruppen)

Das Theaterprojekt Xtrameile will zu dieser Bewusstmachung beitragen. Die Inhalte wurden in engem Gedankenaustausch mit Vertretern der IG Metall und ver.di entwickelt.

In nahezu allen Veranstaltungen wurde nach der Aufführung lebhaft diskutiert.
Siehe auch

www.indirekte-steuerung.de
http://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/das-unternehmerische-wir/
www.meine-zeit-ist-mein-leben.de

Foto: Personalversammlung des Jobcenter Kiel – Ankündigung in der Pause